Aktuelle Ausstellung im Karlihof 5, 25. März – 22. April 2023:
MARTIN J. MEIER
Lichte Wälder
Vor Martinjs Bildern verweilen wir. Warum? Martinjs Gemälde sind effektvoll und wirkungsvoll. Sie sind eine Augenfreude, kein Augenschmaus und keine Augenweide, denn diese beiden Wörter verweisen auf das Essen. Schmausen oder Weiden ist immer auch das Stillen einer Begierde. Aber gerade die Begierde ist beim Betrachten von Martinjs Werken nicht im Spiel. Vielmehr strahlen sie Gelassenheit und Heiterkeit aus.
Wie schaffen es die Gemälde diesen Effekt zu erzeugen? Zum einen sind sie farbenfroh, ohne dass man von der Intensität der Farben benommen wird. Es gibt keine Schockmomente aufgrund des Farbauftrags. Schwarz fehlt in seinen Bildern und dadurch zieht Leichtigkeit in die Werke. Zum anderen sind die Formen weich, alles markant Eckige oder Sperrige bleibt ausserhalb der Bilder. Es ist, als ob man in wunderbare Traumwelten eintaucht, doch dies greift zu kurz, weil eine solche Beschreibung zu harmonisch ist. Harmonie ist ein statischer Zustand. Was harmonisch ist, kann und sollte sich nicht ändern, eben weil es harmonisch ist. Es droht deshalb die Erstarrung. Bei Martinjs Werken gibt es aber immer Bildelemente, die ein solches Erstarren verhindern. Zwei Beispiele können dies verdeutlichen. Ein blaues Pferd im Vordergrund, das den Kenner sofort an den Blauen Reiter erinnert, und ihn dadurch ein wenig irritiert. Oder, die glänzenden bronze- und kupferfarbenen Striche, welche die Werke je nach Tageslicht oder Kunstlicht anders erscheinen lassen.
Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen mögen im Werk Martinjs Anklänge an die Klassische Moderne finden, etwa an den Surrealismus, den Expressionismus oder den Futurismus. Dazu ist Folgendes zu sagen. Wie jeder Künstler und jede Künstlerin kann auch Martinj nicht Kunst aus dem Nichts schaffen. Alle Kunstschaffenden stehen in einer Tradition. Martinj schöpft aus den genannten Strömungen und aus vielem mehr immer etwas Neues. Er lässt sich nicht einfach in die Nachfolge dieser drei Kunstrichtungen einordnen. Wo etwa den Werken des Futurismus, Surrealismus und Expressionismus oft genug etwas Gehetztes und zutiefst Verstörendes anhaftet, da strahlen Martinjs Gemälde Ruhe aus.
Bezeichnenderweise trägt die Ausstellung den Titel «Lichte Wälder». Lichte Wälder laden mit ihrem lockeren Baumbestand zum Verweilen ein. Man verliert in ihnen nicht die Orientierung und sie lösen keine Angst aus, wie dunkle, dichte Wälder. Vor Martinjs Bildern verweilt man gerne und dass man vor ihnen stehen bleibt, ist ein Gütezeichen, denn nur guter Kunst kehrt man nicht schnell den Rücken zu.
Claude Spiller
Claude Spiller studierte in Basel Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie und lebt in Binningen.